Es war einmal vor 15 Jahren
in einem Dorf in Bayern…. na gut, vielleicht vor 20 Jahren. So genau kenne ich die Familie nicht.
Da brachte eine Frau ein geistig behindertes Mädchen zur Welt. Und war ab da allein unterwegs. Ihr Mann fühlte sich überfordert und sagte zu seiner Frau: „DU kümmerst dich um das Kind.“ Wenn sie ihr Mädchen im Kinderwagen spazieren fuhr, wechselten die Leute die Straßenseite, um nicht mit ihr reden zu müssen. Als diese Frau Jahre später unsere Gruppe kennenlernte, sagte sie zu mir: „Was wäre ich froh gewesen, wenn ich Kontakte zu anderen betroffenen Eltern gehabt hätte. Ich war immer allein.“
Wie traurig und gleichzeitig unvorstellbar. Damals, vor langer, langer Zeit. Also noch vor dem Internet! Da war Vernetzung kompliziert, da wusste der Eine vom Anderen nicht. Da sind sich mit von behinderten Kindern wahrscheinlich nur zufällig begegnet.
Heute ist das anders. Meine erste befreundete Mama, deren Kind auch das Down-Syndrom hat, habe ich über das Internet kennengelernt. Unsere Vernetzung mit anderen Eltern entstand durch das gezielte Ansprechen Betroffener durch unsere Frühförderstelle. Jetzt haben wir sogar einen eigenen Verein. Und eine Homepage. Man kann uns finden, wenn man will. Die Hürden der Kommunikation und Vernetzung sind geringer geworden.
Auch heute ist es noch schwierig in Kontakt mit anderen Familien zu kommen zum Beispiel, wenn man weitab vom Schuss wohnt. Und dann für jede Therapie 50 km hin- und 50 km zurückfahren muss. Neben dem ganzen anderen täglichen Kram: Arbeit, Haushalt, Familie. Oder wenn Strukturen fehlen. Wenn die nächste Selbsthilfegruppe im nächsten Ballungszentrum liegt, das 80 km entfernt ist und das man mühsamst mit Bus und S-Bahn durchqueren muss. Es sei denn man stürzt sich wagemutig mit seinem Auto in den Großstadtverkehr. Auch ne Option!
Aus eigener Erfahrung weiß ich: Betroffene Familien gibt es in jedem Landkreis. Und in jeder Familie liegt Wissen begraben. Es gibt wahre Schätze zu heben! Wissen über Pflegestufen und Pflegedienstleistungen, über Betreuungsleistungen der Krankenkassen und Verhinderungspflege, über Haushaltshilfen und wie man sie beantragt. Und Etliches mehr! Deshalb soll unser Blog ein Aufruf sein an alle betroffenen Familien: Geht raus, vernetzt euch, nutzt die sogenannte Schwarmintelligenz! Und wenn es noch keine Elternstrukturen in eurem Landkreis gibt, dann baut sie auf. Überall sitzen Profis, deren Aufgabe es ist, uns zu helfen. Sie sitzen in Sozialverbänden, in Sozial- und Pflegediensten, in Frühförderstellen, in Sozialpädiatrischen Zentren und manchmal kann euch sogar euer Kinderarzt um die Ecke weiterhelfen! Fragt euch durch, fragt nach Unterstützung und sucht euch andere Eltern, die auch behinderte Kinder haben. Gemeinsam wird man stark!