Schule

„Inklusiv unterwegs“ im November 2019

Seit diesem Schuljahr gibt es einen Kurs an meiner Schule, den ich netterweise ins Leben rufen durfte. Im Zuge unseres Inklusionssiegels darf ich jetzt ganz offiziell meine Schüler zum Wahlfach „Inklusiv unterwegs“ einladen. Hier bereiten wir unterschiedliche Aktionen vor, eine regelmäßige Kursaufgabe ist die Vorbereitung der Vereinstreffen der Kunterbunten Familien e.V. und die Durchführung derselbigen!

Schon im Vorfeld des Kurses überlege ich mir mögliche Aktionen für alle Kinder. Am einfachsten vorzubereiten sind die Konfettis, die gesunden Geschwisterkinder. Da muss man einfach nur altersgerechte Spiele vorbereiten. Das ist praktisch wie Schule, nur schöner.

Die kunterbunten Kinder, also die Kinder mit einer geistigen Behinderung, sind die größere Herausforderung. Das Alter der Kinder spiegelt nämlich nicht ihr geistiges Alter wider. Und jedes Kind ist in unterschiedlichen kognitiven Bereichen unterschiedlich schnell unterwegs. Momentan bereiten wir Aktionen vor, die man auch im Kindergarten anbieten würde.

Also habe ich voller Elan bei einem einschlägigen Internetanbieter Bastelmaterial bestellt. Unglaublich schnuckelige Kürbislaternen! Hach, wie süß! Passt zum Herbst UND zu Sankt Martin. Ideal.

Meine Schülerinnen packen also das Bastelset aus und beginnen mit Feuereifer Kürbislaternen vorzubereiten. Ich finde die Vorstellung immer noch herzerfrischend. Allerdings beginne ich mich nach 10 Minuten zu fragen, wieso es so lange dauert die Laternenzuschnitte vorzubereiten. Eine irritierte Frage an meine Schüler: „Was tut ihr denn da so lange?“ bringt folgende Antwort zu Tage: „Also, Frau Kroker, das ist ja viel zu schwer!“ Klingt da ein vorwurfsvoller Ton mit? Perplex sage ich: „Wieso? Das ist doch für Kinder ab 4 Jahre ausgeschrieben. Das muss doch für unsere Kids passen.“ „Ja, aber schauen sie mal, was wir da alles ausschneiden müssen! Das Set hat so viele Kleinteile.“ Jetzt gehe ich zum Basteltisch und mich trifft fast der Schlag. Für Kinder ab 4? Ehrlich? Das machen 4-Jährige im Kindergarten? Oder ist das so wie im Kino: Die Filme werden absichtlich für jüngere Kinder ausgeschrieben, damit es möglichst viel Publikum bekommt? Siehe die Harry Potter Filme?

Vollkommen ernüchtert wird mir klar: Das machen unsere Kids nicht. Weg ist die Vorstellung von mich aus allen Ecken anleuchtenden süßen, kleinen Kürbissen. Nix is mit Herbststimmung! Wenigstens haben wir noch das ganz traditionelle Bastelset: Laternenzuschnitte, Käsedeckel druff und fertig. Enttäuscht packe ich die Materialien für unser Treffen zusammen.

Am Nachmittag startet unser Familientreff wie immer. Chaos überall. Hier läuft ein Kind, da ein Schüler hinterher, es beginnt der ganz normale Kunterbunt-Wahnsinn. Die Inklusionshelferinnen haben einen genauen Auftrag: Geht mit eurem jeweiligen Kind zu allen Stationen und schaut, was ihm gefällt. Und: Bastelt Laternen!

Soweit der Plan. Das tatsächliche Kinderprogramm sah ungefähr so aus: Gefühlt alle Kinder, sowohl Konfettis als auch Kunterbunte, waren im Garten und haben dort Fangsti gespielt. Gebastelt haben 3 Kinder. Und zwar ausschließlich Mädchen. Die Krönung war dann die letzte der drei Basteleien: Kunterbuntes Kind kommt mit Laterne aus dem Bastelraum, meine Schülerin hinterher, im Gesicht mit lauter Moosgummi-Stickern beklebt. Ich frage entsetzt: „Um Himmels Willen, wie siehst du denn aus?“ „Ach, Frau Kroker, das Mädchen wollte lieber mich als die Laterne bekleben. Aber das stört mich nicht. Ist schon ok.“

So viel zu meinen tollen Plänen und der tatsächlichen Realität. Ich denke, wir sind vielleicht in 5 Jahren bereit für das Laternenbasteln. Dieses Thema ist für mich erstmal durch.